Eigentlich wollte Merrily Watkins Anwältin werden. Doch dann wurde sie mit ihrer Tochter Jane schwanger, entfernte sich immer weiter von ihrem Mann und fand schließlich zu Gott. Nun soll sie eine Pfarrstelle in dem kleinen, malerisch gelegenen Dörfchen Ledwardine, im englischen Herefordshire, übernehmen. Doch weibliche Pfarrer sind auf dem Land noch nicht überall gern gesehen, und so muss Merrily als gutaussehende, junge Witwe, sich nicht nur als Geistliche behaupten. Bei einem seltsamen Abendritual inmitten des alten Apfelgartens stirbt schließlich ein alter Herr. Und nicht nur das. Plötzlich suchen Merrily seltsame Ängste und bedrohliche Träume heim. Besonders in dem riesigen Pfarrhaus fühlt sich Merrily mehr und mehr unwohl. Doch auch Jane scheinen seltsame Visionen zu plagen. Und alles scheint mit diesem Apfelgarten zu tun zu haben, der fast das gesamte Dorf umgibt und dem eine eigene Seele zugeschrieben wird. Als dann Janes Freundin nach einer wilden Party im Apfelgarten verschwindet, geraten die Ereignisse gänzlich außer Kontrolle …
Merrily Watkins, junge Mutter, Witwe und Pfarrerin ist eine überaus sympathische und starke Figur, die Phil Rickman nicht besser hätte treffen können. Sie raucht und flucht schonmal, und fühlt sich für alles verantwortlich, will es jedem Recht machen und muss bald einsehen, dass beides unmöglich scheint. Merrily und ihre fünfzehnjährige Tochter Jane, die ganz gebürtiger Teenager, ihren eigenen Kopf hat, mochte ich fast augenblicklich sehr gerne und habe beide schon nach wenigen Seiten fest ins Herz geschlossen. Doch auch andere Figuren, herrlich verschroben und eine seltsamer als die andere, konnten mich in ihrer Bann ziehen.
Phil Rickmann hat seinem Kriminalroman eine einfach perfekte Kulisse verpasst: das Dörfchen Ledwardine mit seinen sturen Traditionen und alten Bräuchen und dem geheimnisvollen Apfelgarten, dem besondere Kräfte zugeschrieben werden. Doch Ledwardine hat auch eine eigene Geschichte. Da lesen wir von einem Pfarrer im siebzehnten Jahrhundert, der als Hexer verfolgt wurde, von alteingesessenen Familien, die ihre ganz eigenen bizarren Traditionen haben und immer ist das Dorf mit den Apfelbäumen eng verwoben.
„Frucht der Sünde“ ist kein Roman, der mit blutigen und gewalttätigen Details daherkommt. Vielmehr versteht der Autor es auf subtilere Weise, aber nicht weniger spannend, von einem grauenhaften Geschehen zu erzählen und kommt dabei dankenswerterweise ohne schockende Elemente und brutal-ausschmückende Erzählungen aus. Was für ein Glück! Jedem, der Spannung gerade durch solche Szenen empfindet, sollte daher die Finger von diesem Buch lassen.
Phil Rickmann schafft es kurzweilig und flott zu erzählen, wenngleich er das ein oder andere Mal zu sehr in die Länge geht und das Krimi-Geschehen zeitweise – vorallem im Mittelteil – etwas in den Hintergrund gerät. Aber auch seine kleineren Abschweifungen haben mir die Charaktere noch etwas näher gebracht, und mir verständlich gemacht, wie sie fühlen und denken.
Bis auf die letzten Seiten habe ich mich gefragt, wie Merrilys seltsame und wirklich beängstigenden Träume im Pfarrhaus, ja sogar die merkwürdigen Wahrnehmungen während des Tages wohl mit dem ersten Todesfall (dem bald ein zweiter folgt) und dem Verschwinden des Mädchens zusammenhängen. Noch dazu die seltsamen Andeutungen rund um den Apfelgarten. Ich war so gespannt, dass ich dieses Buch einfach nicht weglegen konnte, vielmehr musste ich immer weiter und weiter lesen.