„Roter Mond“ ist ein Buch über menschliche Abgründe. Ein Roman mit paranormalem Touch und einem ausgefeilten Endzeitszenario.
Alles beginnt mit dem Anschlag auf drei Flugzeuge, in denen Lykaner die Insassen geradewegs niedermetzeln. Patrick ist der einzige Überlebende – der Wunderjunge, wie er fortan genannt wird. Claire ist Lykanerin, doch auch ihr Leben wird sich für immer verändern, als ein Trupp Männer ihr Elternhaus stürmen und ihre Eltern ermorden. Während Patrick versucht, die Erlebnisse zu verarbeiten und ein normales Leben zu führen, ist Claire auf der Flucht. Und eines Tages treffen sie sich, und verlieben sich ineinander. Doch das Leben reist sie auseinander, als aufständische Lykaner einen Terroranschlag nach dem nächsten durchführen, um der Unterdrückung ein Ende zu setzen. Während Patrick zum Militär geht, muss Claire sich abermals verstecken. Denn der „Riese“, der ihre Eltern umbrachte, hat es auch auf sie abgesehen. Bis das Undenkbare geschieht …
„Lobos“ ist ein Virus, eine Krankheit. Betroffene müssen „Volpexx“, ein bestimmtes Medikament, einnehmen, dass sie abstumpft und ein Schatten ihrer Selbst sein lässt. Aber so lautet die Vorschrift, und diese wird hart mit ständigen Bluttests überprüft. Die Lykaner sind eine Minderheit, Unterdrückte, die von der übrigen Bevölkerung teilweise gemieden werden. Die Lykaner in diesem Buch könnten beispielhaft für viele andere Völker in der Menschheitsgeschichte stehen; sie sind austauschbar. Nur durch den Mythos an sich, erhält diese Geschichte ihren paranormalen Einschlag. Denn mehr als dass sich diese infizierten Menschen in Werwölfe verwandeln können, hat das Buch an Übersinnlichem nicht zu bieten.
Vielmehr wird hier enormes Gewicht auf den brutalen und überaus gewalttätigen Terror einer Splittergruppe Aufständischer gelegt und deren Auswirkungen auf die USA beschrieben. Aber damit nicht genug, gibt es weitere Gruppen und Einzelpersonen, die an Gewalt den Aufständischen in nichts nachstehen. Teilweise werden Charaktere in diesem Buch eingeführt, die im selben Kapitel regelrecht niedergemetzelt werden. Die Anzahl der Todesopfer im gesamten Buch lässt sich schwer schätzen, könnte aber bei vielen Hundert liegen. Somit ist dieser Roman nichts für schwache Nerven und die Beschreibungen auch schonmal regelrecht abstoßend.
Und obwohl der Plot, die Grundidee zum Buch, durchaus rund und gut durchdacht ist, lassen sich für meinen Geschmack die Lykaner zu einfach durch andere reale, unterdrückte Minderheiten in unserer Gesellschaft austauschen. Dass dieser Roman paranormale Elemente aufweist, ist also wohl eher marketingtechnisch zu sehen. Dennoch hat Benjamin Percy mit diesem Buch eine interessante Idee umgesetzt – wie es sein könnte, wenn jene Unterdrückten im heutigen Zeitalter mit Terror antworten. Was ich mir jedoch dabei gewünscht hätte, wäre weniger gewollte Gewalt gewesen, die zeitweise sehr aufgesetzt wirkte und für meinen Geschmack mehr der Brutalität wegen Bestandteil im Buch findet. Weniger ist manchmal einfach mehr.
Nachdem ich mich erst einmal an Benjamin Percys recht eigenwilligen Erzählstil gewöhnt hatte – zunächst wirkten die Sätze ziemlich plump und abgehackt auf mich – bin ich schnell in diese Geschichte eingetaucht. Denn zunächst schafft es der Autor den Leser regelrecht ins Geschehen zu katapultieren und spannend, wenn auch mit sehr viel Gewalt, zu unterhalten. Patrick und Claire sind gleichermaßen sympathisch, obwohl es viele andere Figuren nicht sind. Der Gouverneur Chase Williams zum Beispiel, der bis zur letzten Seite eine tragende Rolle spielt, war mir über die gesamte Lesezeit hinweg mehr als unsympathisch.
Doch leider schafft es Benjamin Percy nicht, das kurzweilige, unterhaltsame Tempo beizubehalten, so dass die Geschichte schon bald erste Längen zeigt und schließlich in der guten Hälfte sehr ins Stocken gerät. Auch das Ende nimmt zwar wieder ein wenig Fahrt auf, wirkte auf mich aber zu holprig und aufgesetzt. Da reagierten Figuren teilweise völlig widernatürlich, nur um den Geschehnissen ihren Lauf zu geben. Und überall diese sinnlose Gewalt ….
Fazit: „Roter Mond“ ist ein Buch, von dem ich mir definitiv etwas anderes versprochen habe. Zum einen mehr fantastische bzw. paranormale Elemente, als die bloße Existenz der Lykaner. Zum anderen viel, viel, viel weniger Gewalt, Tod und Terror. Wenngleich das Grundkonzept dieser Geschichte durchaus wohl durchdacht und größtenteils in sich stimmig ist, driftet mir Benjamin Percy einfach zu oft ins Erzählen von sinnloser Gewalt und brutalem Gemetzel ab. Vieles hätte, um die Geschehnisse zu verdeutlichen, nicht erzählt werden müssen. Für mich ein Roman, der zwar nicht gänzlich vergeudete Zeit war, den ich aber definitiv nicht weiterempfehlen kann. Schade!