Die letzten Rezensionen

Rezension: Sjón – Schattenfuchs

Auf nur 126 Seiten, schafft es Sjón – eigentlich Sigurjón B. Sigurdsson – eindringlich zwei kleine Geschichten des winterlichen Islands im Jahre 1883 zu erzählen; die doch irgendwie miteinander verbunden sind. Schon auf der ersten Seite katapultiert er seine Leser mitten ins Geschehen: Pfarrer Baldur Skuggason jagt erbarmungslos in den Ebenen eine erdschwarze Füchsin als beide vom Schneetreiben überrascht werden. Mal aus der Sicht des Mannes, mal aus der der Füchsin beschreibt Sjón die stundenlange Jagd in wenigen – fast lyrischen – Sätzen. Hier scheint jedes Wort wohl überlegt, jeder Satz drückt vielerlei Gefühle aus und lässt einen den Atem anhalten.

Im zweiten Teil seiner Erzählung lässt Sjón uns wenige Tage am einfachen Leben des Botanikers Friđrik B. Friđjónsson teilhaben. Tage, in denen Friđrik seine ungewöhnliche Ziehtochter Abba betrauert und begräbt, ihr lang gehütetes Geheimnis lüftet und an die Zeit mit ihr zurückdenkt. Sjón scheint jede seiner Figuren genauestens und pointiert ausgearbeitet zu haben. Hier ist kein Wort, keine Beschreibung, die nichts wichtiges ausdrücken würde. Entweder man mag die Charaktere dieses schmalen Büchleins gleich, oder man kann sie von vorn herein nicht leiden – doch genau dies scheint in der Absicht des Autors zu liegen.

Am Ende vereinen sich die beiden Geschichten zu einem Ganzen. Nicht nur dass der Pfarrer und die Füchsin ein überraschendes, „mythisches“ Miteinander finden, auch Abbas Krankheit und Vergangenheit kommen ans Tageslicht.

Fazit: Der Autor erzählt in „Schattenfuchs“ von einer verschrobenen kleinen Gemeinde und kommt mit  wenigen Figuren aus, um seine Leser mitzureisen. Er schildert bewegende Schicksale und bezieht dabei die isländische Landschaft ganz nebenbei mit ein. Als Leser ist man von den Worten Sjóns gefangen und wartet gebannt, was noch passieren mag. Mich hat der Autor überrascht, und ich bin begeistert, wieviel man doch mit so wenig Worten erzählen kann. Ich bin schon jetzt gespannt auf sein nächstes Buch „Das Gleißen der Nacht“ (Anm. erscheint 03/2011).

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Rezension: Evelyne Binsack – Expedition Antarctica – 484 Tage bis ans Ende der Welt

Evelyne Binsack hat das getan, was vorher – in unserer heutigen Zeit – wohl noch niemand geschafft hat: Sie ist per Fahrrad und zu Fuß in 484 Tagen um die halbe Welt gereist. Zu Anfang stand ein Ziel: Antarctica ohne Hilfe bis zum Südpol zu durchqueren. Start dieser Expedition sollte der äußerste Süden Südamerikas sein. Und bis dorthin fliegen? So einfach wollte es sich die Extremsportlerin dann doch nicht machen. Nein, sie wollte aus eigener Kraft Punta Arenas im Süden Chiles erreichen. Dies bedeutete knapp 24.000 km auf dem Fahrrad zurückzulegen, eine Mammutstrecke, noch vor den härtesten und denkbar unwirtlichsten letzten knapp 1.200 km durch das Eis der Antarktis. An der Grenze ihre körperlichen und seelischen Leistungskraft, nicht zuletzt auch an der Grenze zum Tod, hat Evelyne Binsack dieses Ziel schließlich erreicht.

„Expedition Antarctica“ liest sich wie das größte Abenteuer unserer modernen Welt. Eine Frau, ganz allein, 24.000 km von der Schweiz, über Frankreich, Spanien, Portugal, Salt Lake City (USA), Mexiko, die Anden in den äußersten Südzipfel Südamerikas – und das ganz ohne Annehmlichkeiten -  nur mit dem Nötigsten, dass sie auf ihrem Fahrrad transportieren konnte. Dabei lässt uns Evelyne  Binsack schon an den enormen Vorbereitungen ihres Abenteuers teilhaben, beschönigt nichts, und macht sich nicht selbst zur Heldin.

Dieses Buch ist nicht nur Reisebericht, es ist auch eine philosophische Reise. Und genau das, hat mich letzten Endes leider mehr und mehr gestört. Gerade die ersten 24.000 km werden relativ kurz abgehandelt, sind dafür aber mit so vielen philosophischen Gedanken gespickt, dass ich mit dem Lesen während dieser Zeit kaum vorwärts kam. Es ist zwar durchaus interessant zu lesen, welche geistigen Erfahrungen man während des Bergsteigens oder eben solchen Extrem-Abenteuern macht,  aber man muss dies nicht alle paar Seiten lesen, immer und immer wieder. Mich hat mehr die Reise an sich, die Länder, die Kulturen und die Menschen interessiert – davon erzählt Evelyne Binsack  leider überraschend sparsam.

Dann endlich beginnt das zweite Abenteuer: die Wanderung von der Nordküste der Antarktis zum Südpol. Und endlich werden die philosophischen Gedanken weniger, das Erlebte tritt deutlich in den Vordergrund und lässt sich schließlich flott weglesen. Denn jetzt, auf den letzten etwa 140 Seiten, hat das Abenteuer auch den Leser gepackt.

„Expedition Antarctica“ ist kein Buch, dass man mal so nebenbei schnell wegliest. Und doch schafft es einen ganz guten Überblick über ein wahrhaft großes Abenteuer einer Frau, die es immer wieder auf die höchsten Berge zieht, die nach immer weiteren Abenteuern sucht und dafür nicht selten an ihre eigenen Grenzen stößt. Überraschend ehrlich erzählt. Etwas weniger philosophisches, dafür mehr Beschreibung des Erlebten, und ich wäre wohl gefesselt gewesen. So habe ich mich leider mehr oder weniger durch die erste Hälfte und die ersten 24.000 km von Seite zu Seite geschleppt.

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Vorgestellt: Janika Nowak – Das Lied der Banshee

Als Aileen erfährt, dass sie die letzte Banshee ist, glaubt sie an einen schlechten Scherz. Sie soll eine Gestalt aus der irischen Sagenwelt sein? Sie soll den Tod von anderen Menschen vorhersagen und mit ihrer Stimme Magie wirken können? Das ist doch vollkommen absurd! Ihre seltsamen Träume und ein Zwischenfall, den sie sich beim besten Willen nicht erklären kann, bringen sie jedoch ins Grübeln. Das junge Mädchen ahnt noch nicht, dass ihr Abenteuer mit dieser Enthüllung erst beginnt. Dass sie in eine Welt eintauchen wird, in der Mythen und Legenden keine Erfindung sind. Dass sie zusammen mit Sirenen, Wassermännern und Nymphen den Kampf gegen ein uraltes Wesen aufnehmen muss. Und dass sie sich verlieben wird. In einen guten Freund, der plötzlich nicht mehr in diese neue Welt passt …

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Rezension: Blanca Busquets – Die Woll-Lust der Maria Dolors

Blanca Busquet erzählt in „Die Woll-Lust der Maria Dolors“ von einer intelligenten Frau mit bewegender Vergangenheit, die leidenschaftlich gern diskutiert und einen temperamentvollen Charakter vorzuweisen hat. Nun jedoch zur Stummheit verdammt, wird sie nicht nur Zeugin der Abgründe ihrer Familie, sondern zieht auch ein Resümee ihres eigenen Lebens.

Maria Dolors ist eine Figur mit der ich nicht recht warm wurde. Zwar scheint sie auf den ersten Blick sympathisch, doch wird diese Sympathie durch ihre Sicht auf die Dinge, die hier manchmal etwas altklug daherkommen, und ihre Vergangenheit getrübt. Zumal es einem die Autorin mit ihren Zeitsprüngen, die von Satz zu Satz plötzlich wechseln können, reichlich erschwert, das Erzählte flott zu lesen. Erst ist man noch in der Gegenwart und schwupps in Dolors Erinnerungen, die mal hierhin, mal dorthin springen, und im nächsten Absatz sitzt man dann auch schon wieder an Dolors’ Seite im Wohnzimmer. Hat man sich an diese eher ungewohnten und plötzlichen Sprünge zwischen den Zeiten gewöhnt, schafft man es immerhin recht schnell die Seiten wegzulesen.

Blanca Busquet spart in diesem Roman nicht mit menschlichen Abgründen. Da lesen wir von Magersucht, Homosexualität, Sex mit Minderjährigen, Mord und so mancher deprimierender Altersbeschwerde. Durch Dolors Augen bertrachtet – denn sie erzählt in der Ich-Form – können sich auch die übrigen Figuren nicht hervortun. Sie alle bleiben erstaunlich oberflächlich, wo doch Dolors jede Einzelheit ihres Charakters ständig bewerten und Parallelen zu ihrem eigenen Leben bzw. zu vergangenen Erinnerungen ziehen muss.

„Die Woll-Lust der Maria Dolors“ ist ein Roman, der im Großen und Ganzen zwar durchaus interessant erzählt ist, es jedoch nicht schafft seine Leser an das Geschehen zu bannen. Vielmehr plätschern die Ereignisse und Erinnungen recht lahm dahin und ich musste mich das ein oder andere Mal wirklich zwingen weiterzulesen. Eigentlich schade, denn die Grundidee ist nicht schlecht. Doch leider hatte ich mit Dolors manchmal so meine Schwierigkeiten, und konnte mich während des Lesens nicht entscheiden, ob ich sie nun mögen sollte oder nicht.

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Rezension: Kathryn Smith – Tochter der Träume

Kathryn Smith hat in „Tochter der Träume“ eine interessante neue Fantasywelt geschaffen, in der wir nicht nur ins Traumreich einkehren und allerhand Traumwesen zu Gesicht bekommen, sondern auch auf sympathische Figuren treffen.

Die Hauptfigur – Dawn – ist kein Schönheitsideal: sie ist zwar groß, jedoch alles andere als schlank. Es ist erfrischend von einer Figur zu lesen, die mal nicht großartig aussieht, sondern auch mit den normalen Problemen der Sterblichen, wie Übergewicht, zu kämpfen hat.
Als ausgebildete Psychologin konnte Dawn mich nicht recht überzeugen, irgendwie kauft man diesem Charakter ihren Beruf nicht so ganz ab, doch ist dies eigentlich eher Nebensache des Geschehens. Etwas mehr gestört hat mich dagegen, dass die Autorin in ihrem Roman scheinbar gleichzeitig Schleichwerbung für so manches Schönheitsprodukt gemacht hat, denn nahezu alle Produkte, die ihre Protagonistin verwendet, werden akribisch mit Produktmarke aufgeführt. Das kam vorallem etwas albern daher. Wen interessiert es schon, von welcher Firma Dawns Lipgloss stammt?
Dennoch ist und bleibt Dawn ein Charakter, der einem schnell vertraut scheint und an dessen Seite man gern durch die Ereignisse wandert. Auch die meisten Hauptfiguren können überzeugen, währenddessen Protagonisten, die eher mehr Erwähnung finden als eine Rolle zu spielen, recht unscheinbar daherkommen.

Die sich langsam anbahnende Liebesbeziehung zwischen Noah und Dawn hat die Autorin gut in die Geschichte eingewoben, denn auch Noah hat eine Begabung als starker Träumer. Und neben Dawn ist Noah dem Leser schnell sympathisch. Kathryn Smith hat auch die ein oder andere Liebesszene zwischen den beiden relativ unspektakulär in ihren Plot eingebracht. So machen diese Szenen die Verliebtheit deutlicher, lenken jedoch nicht vom eigentlichen Geschehen ab – was ich recht gut fand.

Die Idee zum Plot – ein Reich der Träume mit Göttern und Dämonen als eigenständiges Land – ist vielversprechend und verspricht ein magisches Abenteuer fernab von Vampiren und Gestaltwandlern. Und tatsächlich hat es die Autorin gut verstanden, diese Welt zu erschaffen. Leider wollte sich bei mir keine rechte Spannung einstellen. Ich war weder gefesselt von den Ereignissen, noch unfähig das Buch zur Seite zu legen. Allerdings muss man der Autorin zugute halten, dass durch ihren flüssig-leichten Schreibstil Seite um Seite dennoch rasant vergeht und man an Dawns Seite mitten im Geschehen steht.
Wenn man diesem Roman einige Schwächen zugesteht und nicht auf die große Spannung hofft, schafft es „Tochter der Träume“ gut zu unterhalten.

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