Die letzten Rezensionen

Tag Archives: Gegenwartsliteratur

Rezension: Eowyn Ivey – Das Schneemädchen

Eowyn Ivey
Das Schneemädchen 

Verlag: Kindler
Format: gebunden, 464 S.
Erscheinungstermin: 09 / 2012
Preis: 19,95 €
ISBN: 978-3463406213

» Kaufen:

Mabel und Jack haben kurzerhand ihr altes Leben zurückgelassen, um in Alaska völlig neu anzufangen. Zu schmerzlich sind all die Erinnerungen an ihr altes Leben. Doch anders als erwartet, ist die neue Heimat unwirtlich und rau und verlangt den beiden viel mehr ab, als sie dachten. Auch Kummer und Leid ihrer Vergangenheit scheinen sie bis in dieses entfernte Land verfolgt zu haben. Als dann die ersten Schneeflocken des Jahres fallen, balgen sich Mabel und Jack ausgelassen im Schnee und bauen einen Schneemann. Was jedoch als Schneemann begann, wird schließlich zu einem Schneemädchen und die beiden sind seit langem wieder einmal glücklich. Seltsam nur, dass das Schneemädchen am nächsten Morgen samt Schal und Fäustlingen verschwunden ist. Dafür taucht am Waldrand des öfteren ein Mädchen auf, scheu und rätselhaft. Mabel und Jack schaffen es, ihr Vertrauen zu gewinnen und doch bleiben soviele Fragen. Woher stammt das Kind? Und warum verschwindet es mit dem letzten Schnee im Frühling?

„Das Schneemädchen“ ist ein Buch, dass mich mit voller Wucht getroffen hat.
Zum einen war ich den starken Emotionen erlegen, die Autorin Eowyn Ivey in dieser Geschichte heraufbeschwört. Die Gefühle der Figuren, ihre Ängste und Sehnsüchte erscheinen während des Lesens so real, dass hierdurch auch die Charaktere an Detailtreue gewinnen. Schon bald ist man Mabels und Jacks ständiger Begleiter, macht alle Höhen und Tiefen mit ihnen durch, und versucht die schmerzliche Vergangenheit, die immer wieder in die Gegenwart eingreift, ebenfalls irgendwie zu verarbeiten. Während man zu Anfang des Buches die graue Trostlosigkeit, die das Ehepaar in ihrem Inneren gefangenhält, richtiggehend spüren kann, merkt man wie diese mit den Jahren immer leichter wird, wie die beiden nach und nach wieder glücklicher werden. Diese Veränderung zu erleben, war wunderschön und stimmte mich froh, denn schon lange hing ich an den Zeilen der Autorin wie eine Ertrinkende und hoffte inständig, dass es doch ein Happy End geben möge.

Die Autorin schafft es ausnehmend gut, nicht nur von Figuren zu erzählen, die einem schon bald sehr, sehr nahestehen, sie beschreibt dieses Land am Ende der Welt so eindrucksvoll, dass ich schon ein bisschen Sehnsucht bekam. Eowyn Ivey ließ Bilder Alaskas in meinem Kopf entstehen, die mich faszinierten, fort zogen und mich so wunderbar die Weite dieses Landstrichs aber auch dessen Härte spüren ließen.

Doch der besondere Zauber dieser Geschichte, liegt in der Beschreibung des Schneemädchens Faina, von dem man sich nie sicher ist: ist es Sagengestalt oder Mädchen aus Fleisch und Blut? Die Autorin erzählt von diesem eigentümlichen Mädchen auf besondere, magische Weise, so dass man sie zwar ebenfalls augenblicklich ins Herz schließt, man sich ihrer Herkunft jedoch nie ganz sicher sein kann. Manches Mal dachte ich, Faina müsse ein ganz normaler Mensch sein, dann wiederum zerstreute Eowyn Ivey meine Sicherheit mit Erzählungen, die mich wieder mehr glauben ließen, das Mädchen, dass schließlich zu einer jungen Frau heranwächst, müsse eine magische Märchengestalt sein, geboren aus einer tiefen Sehnsucht heraus. Bis zum Ende und auch darüber hinaus, habe ich die Antwort nicht wirklich gefunden und weiß nur eines sicher: dieses Buch endet genauso eindringlich, wie es begonnen hat.

Fazit: Eowyn Ivey erzählt mit ihrem Roman die Geschichte eines russischen Märchens neu und legt so viel Liebe, Einfühlungsvermögen und eine unglaubliche Emotionalität in ihre Erzählung, dass man als Leser von diesem Buch einfach nur gefangen und schlichtweg verzaubert sein kann. Die Autorin schafft es, eindrückliche Bilder Alaskas im Leser heraufzubeschwören und eine ganz besonderen Magie zu erschaffen. „Das Schneemädchen“ bewegte mich während des Lesens und auch dazwischen und ich wünschte mir so sehr, diese Geschichte möge niemals zu Ende sein. Und doch kam der Schluss unaufhaltsam und ich hätte am liebsten gleich noch einmal von vorn begonnen, mich nochmal vom besonderen Erzähltalent dieser Autorin gefangennehmen lassen.